Vom Faultier
Es gibt ein (...) merkwürdiges Tier das die Spanier Cagnoulo leggiero [Canido Ligero] nennen, was flotter Hund bedeutet, jedoch nicht zu ihm passt, da es eines der langsamsten Tiere der Welt ist, und sich so schwerfällig bewegt, dass es an einem ganzen Tag kaum mehr als fünfzig Schritte gehen kann. Diese Tiere findet man auf dem Festland; sie sehen sehr eigenartig aus, wegen ihrer Disproportionalität im Vergleich zu allen anderen Tieren.(...) Sie haben vier Füße, und an jedem vier Krallen wie Vögel,(...). Jedoch sind weder ihre Krallen noch Füße kräftig genug um ihre Körper vom Boden zu erheben. Aus welchem Grunde, und wegen der Schwere ihrer Körper, Sie ihre Bäuche über den Boden schleifen.(...) Auf ihren Hälsen sitzen sehr runde Gesichter beinahe so wie die von Eulen.(...) Sie haben kleine Münder, und bewegen ihre Hälse hin und her, so als wären sie erstaunt.(...) Sie haben keine Schwänze, und Ihre Stimme unterscheidet sich sehr von der anderer Tiere: Denn sie singen nur des Nachts: Und das fortwährend, von Zeit zu Zeit mit stets festgelegten Noten, eine höher als die andere, mit Umbrüchen, so das die erste Note die Höchste und die Nächste in einem tieferen Ton ist, so als wenn man La, Sol, Fa, Mi, Re sagen würde (...). Und Zweifellos, so scheint es mir, dass dem ersten Erfinder der Musik, diesem Tier zuhörend, die ersten Grundregeln dieser Wissenschaft erschienen, eher als durch irgendein anderes Ding auf dieser Welt. (...) Kurz nachdem dieses Tier gesungen und eine Weile pausiert hat, beginnt es wieder mit dem exakt selben Lied, und dies nur des Nachts, nicht am Tage. Aus welchem Grunde ich glaube, und auch wegen ihrer Hässlichkeit, das sie Nachttiere sind, und Freunde der Dunkelheit.
Manchmal finden die Christen diese Tiere und bringen sie zu sich in Ihre Häuser, wo sie mit ihrer natürlichen Langsamkeit umher kriechen, in soweit dass, auch wenn man sie bedroht oder stöchert, sie sich nicht schneller als mit ihrer gewohnten Geschwindigkeit fortbewegen. (...) Und als Ich selbst eines [dieser Tiere] in meinem Haus gehalten habe, konnte ich nie etwas anderes feststellen, als dass sie sich nur von Luft ernähren. Und von der gleichen Meinung sind alle Menschen dieser Regionen, denn sie haben [diese Tiere](...) niemals etwas essen sehen. Doch drehen sie ihre Köpfe immer in die Richtung aus der der Wind am stärksten weht: woraus sich schließen lässt, dass sie die Luft am meisten genießen. Sie beißen nicht, weder können sie beißen, denn sie haben sehr kleine Münder. Sie sind in keiner Weise giftig oder schädlich: aber ganz und gar viehisch und völlig unprofitabel, ohne jeglichen bisher bekannten Nutzen für den Menschen.
Gonzalo Fernández de Oviedo y Valdés, 1526
Aus: La Natural Hystoria de las Indias
von Gonzalo Fernández de Oviedo y Valdés
1526
enthalten in:
"The first three English books on America. 1511-1555 A.D. Being chiefly translations, compilations, &c., by Richard Eden, from the writings, maps, &c., of Pietro Martire, of Anghiera (1455-1526) Sebastian Münster, the cosmographer (1489-1552) Sebastian Cabot, of Bristol (1474-1557) with extracts, &c., from the works of other Spanish, Italian, and German writers of the time"
Editiert und Zusammengestellt von Edward Arber,
Publiziert 1885 in Birmingham
Seite 222 / 223
https://www.archive.org/details/firstthreeenglish00arberich
Aus dem Englischen übersetzt von Uli Westphal